Statt Masterplänen brauchen wir schlichtes Regierungshandeln

Während die Bundesregierung an einem Industriekonzept arbeitet, vergisst sie die konkreten Anliegen des Mittelstands. Das sorgt für reale Probleme.

28.02.2019

Ein Gastkommentar von Ingeborg Neumann: Es ist noch nicht allzu lange her, dass sich Bundeswirtschaftsminister Altmaier mit der Vorstellung eines Masterplans Industrie öffentlich Gedanken gemacht hat, wie die deutsche Industrie noch zu retten ist. Deutschland, so der Minister, müsse vom Erdulder, vom passiven Beobachter, wieder zum Gestalter werden. Und der Staat müsse dafür sorgen, Unternehmen in die Lage zu versetzen, ihren Rückstand auf bestimmten Innovationsfeldern aufzuholen. Zu gerne möchte man den Minister zurufen, dass es dafür keinen Masterplan, sondern ganz schlichtes Regierungshandeln braucht. Wo bleibt eine bezahlbare Energiewende? Wo bleibt eine Mittelstandspolitik, die unsere Unternehmen international wettbewerbsfähig macht? Wo bleiben die schnellen Netze, mit denen wir bei der die Digitalisierung vorne sind? Stattdessen ein Feuerwerk von Zusatzbelastungen bei den Arbeitskosten, bei Befristungen und Teilzeitregelungen. Weil die vielen Gesetze aus den SPD-Ministerien aber offensichtlich auch die eigene Klientel noch nicht überzeugen, wird nochmal nachgelegt. Schluss mit den Arbeitsmarktreformen von SPD-Kanzler Schröder, sagt die Partei. Doch damit nicht genug. Die Minister im Kabinett Merkel überbieten sich seit Jahresanfang mit Eckpunkten für Gesetzesvorschläge, die jeweils auf die eigene Klientel einzahlen sollen. Frei nach der Devise, wer hat noch nicht, wer will noch mal, erdulden wir, die Wirtschaft, ein Konzept nach dem anderen. Dabei hat schon der vereinbarte Koalitionsvertrag wenig Rücksicht auf die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Deutschlands genommen. Trotzdem prescht der Arbeitsminister jetzt mit einer Grundrente vor, die weit über alles Vereinbarte, geschweige denn Bezahlbare hinaus geht und die die Rente für künftige Generationen alles andere als zukunftsfest macht. Da ersinnt der Entwicklungsminister ein Wertschöpfungskettengesetz, das deutsche Mittelständler mit ein paar Federstrichen ins Gefängnis bringen kann, wenn sie nicht auch noch das kleinste Baumwollfeld in ihrer Lieferkette wie ihre Westentasche oder die Herkunft des Hosenknopfes kennen. Der Minister meint damit die Welt zu retten und bereitet derweil schon eifrig auf Steuerzahlerkosten grüne Knöpfe vor, die er demnächst an Kleider hängen will, die aus seiner Sicht regierungsamtlich in Ordnung sind. Derweil überschlägt sich die Umweltministerin mit einem Klimaschutzplan, der nun alles auf die Spitze treibt. Wie der Kohlekompromiss umzusetzen ist und nicht zu einer Deindustrialisierung Deutschlands führt, bleibt im Dunklen. Es ist ja auch viel einfacher Pläne für die Zukunft zu schreiben, als konkretes politisches Handeln in die Tat umzusetzen. Genau das hatten uns Union und SPD aber versprochen, als sie sich nach quälend langer Regierungsbildung zu einer Fortsetzung der großen Koalition durchgerungen hatten. Eine "Neue Dynamik für Deutschland" hieß eine der Überschriften des Koalitionsvertrages. Wir im industriellen Mittelstand spüren nichts davon - im Gegenteil. Unserer werthaltigen deutschen Textilindustrie beispielsweise mit ihren weltweit höchsten Umwelt- und Sozialstandards geht es an den Kragen. Einige Unternehmen ringen um ihre Existenz. Was sich über der Bekleidungsindustrie zusammenbraut, kann über kurz oder lang auch andere Branchen treffen. Da hilft aber kein Masterplan, sondern nur eine Mittelstands- und Industriepolitik, die ihre Unternehmen in Deutschland halten und nicht in die Hände globaler Investoren und Ketten treiben will. Es ist immer so schön gesagt, dass der Mittelstand das Rückgrat unserer deutschen Wirtschaft ist. Derzeit sind aber so einige Minister im Bundeskabinett unterwegs, die uns sehenden Auges unser Rückgrat brechen wollen. Für uns ist es deshalb wirklich Zeit, uns aus der Erdulder-Position lautstark zu Wort zu melden und die Bundesregierung zu fragen, ob sie noch zu retten ist? Deutschlands Wohlstand beruht auf seiner starken Industrie, wie lange noch? Der Gastkommentar wurde am 28. Februar im

Handelsblatt

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